Wieso ist Terminologie wichtig?

Terminologie für Chemiker - Wieso ist Terminologie wichtig?

Diese fünf Argumente machen verständlich, wieso wir Terminologie als wichtiges instrument in der Wissenskommunikation in der Chemie einsetzen.

Viele haben nur eine vage Vorstellung davon, was Terminologie eigentlich ist und wo sie gebraucht wird. Terminologisches Arbeiten, ist jedoch wichtig, um

  • Akzente zu setzen
  • Wissen zu ordnen
  • präzise zu kommunizieren
  • systematisch zu arbeiten
  • Wissen zu verdichten

 

Mit Terminologie Akzente setzen

Durch eine geschickte Namensgebung kann man für die eigene Arbeit, Arbeitsgruppe, Firma, etc werben und die eigenen Errungenschaften bekannt machen und verbreiten.

Wer etwas Neues entdeckt, eine neue Substanz synthetisiert oder eine Methode erfindet, hat früher oder später die Aufgabe, der Erfindung einen Namen zu geben. Mit diesem Namen kann für die eigene Arbeit, die Arbeitsgruppe oder das Fachgebiet einen besonderen Akzent setzen.

Substanzen benennen

Intelligent gewählte und gut klingende Namen von neuen und nützlichen Substanzen sind eingängig und ziehen Interesse auf sich. Arbeitsgruppen können somit ihrer Forschung mehr Aufmerksamkeit verschaffen .

Chemische Substanzen erhalten automatisch einen generischen Namen, der nach den IUPAC-Regeln zustande kommt. Dieser Name ist eindeutig, aber meist sehr umständlich und sehr lang. Für den täglichen Gebrauch kommt er nicht in Frage.

Einen Gebrauchsnamen kann man aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Komponenten der Verbindung zusammensetzen. Manchmal kommt dabei etwas sehr Eingängiges heraus. Das Oxidationsmittel TEMPO (2,2,6,6-Tetramethylpiperidinyloxyl), das Lithiierungsmittel BuLi (Butyllithium) oder den TRIS-Puffer (Tris(hydroxymethyl)aminomethan) kennen die meisten. Andere Abkürzungen wie DMF für Dimethylformamid oder DMSO für Dimethylsulfoxid klingen nicht „rund“, haben sich aber trotzdem in der Chemie eingebürgert.

Je besser der Name klingt, desto besser kann man ihn sich merken. Vor allem im Hinblick auf eine mögliche Vermarktung ist ein gut klingender Name sinnvoll. Sobald sich ein neuer Name etabliert hat, geht dieser Name als neues Fachwort in den Fachwortbestand ein. Die Namensgebung gehört zum terminologischen Arbeiten.

Ein gelungenes Beispiel für gute Terminologiearbeit ist übrigens der Name Nylon für die Substanz Polyhexamethylenadipinsäureamid. Nylon ist keine Abkürzung, sondern einfach eine Erfindung, die gut klingt.

Methoden und Namensreaktionen

Bei Methodennamen oder Bezeichnungen für Gerätschaften stand früher häufig der Erfinder selbst Pate. Ein Beispiel ist das Southern-Blotting oder der Erlenmeyer-Kolben.

Seit den 1980er Jahren etwa gewinnen bei Methodennamen jedoch Abkürzungen und Akronyme die Vorderhand. Die Buchstaben stammen dabei häufig von den Anfangsbuchstaben der Instrumente, die verwendet werden und von der Theorie, die der Technik zugrunde liegt. Dabei können fantasievolle, gut klingende und eingängige Bezeichnungen herauskommen, wie bei den NMR-Spektroskopievarianten NOESY, ROESY, EASY-ROESY etc. die alle auf der Overhauser Spektroscopy aufbauen.

(Überhaupt haben Physiker die Kreation von Namen aus Abkürzungen perfektioniert und glänzen immer wieder durch gut klingende, vielsagende Acronyme aus geschickt kombinierten Anfangsbuchstaben.)

Wie eingängig ist dagegegen CRISPR/Cas, die in den 2010-er Jahren erfunden wurde? Meist wird ja im selben Atemzug von der Genschere gesprochen …

Für chemische Reaktionen ist es hingegen gängige Praxis, den Namen des oder der Erfinder zu verwenden. Das brachte der Chemie Hunderte von „Namensreaktionen“.

Wie gesagt, Namensgebung ist Terminologiearbeit.

Die ordnende Kraft der Terminologie

In welcher Beziehung stehen Fachbegriffe zueinander? Terminologiearbeit beinhaltet ein Ordnen und Einordnen von Begriffen. Damit erreicht man gleichzeitig eine Ordnung des Wissens.

Die Terminologielehre unterscheidet hierarchische und assoziative Begrifffsbeziehungen.

Ordnen – hierarchisch

Hierarchische Begriffsbeziehungen entspren einer Ordnung in Oberbegriff und Unterbegriffe, die häufig schon aus den Wortbestandteilen hervorgehen: Salzsäure ist der Unterbegriff von Säure, ein Erlenmeyer-Kolben ist ein Unterbegriff eines Kolbens. Damit schafft man zum Beispiel Ordnung in einem Sammelsurium von Methoden, die alle Varianten einer Technologie sind.

So ist der Oberbegriff für Massenspektrometrie Spektrometrie.

Unterbegriffe der Massenspektrometrie (MS) sind zum Beispiel

  • GC-MS (gas chromatography-mass spectrometry)
  • LC-MS (liquid chromatography-mass spectrometry)
  • SFC-MS (supercritical fluid chromatography-mass spectrometry)
  • TLC-MS (thin layer chromatography-mass spectrometry)
  • FT-ICR-MS (Fourier transform-ion cyclotron resonance-mass spectrometry)
  • ICP-MS (inductively coupled plasma-mass spectrometry)
  • CE-MS (capillary electrophoresis-mass spectrometry)
  • MS-MS (tandem mass spectrometry)

Betrachtet man diese Auflistung, so fällt der Bindestrich vor dem „MS“ auf. Die Schreibweise mit Bindestrich macht deutlich, dass es sich jeweils um Unterarten der Massenspektrometrie (MS) handelt. (Oft zu sehen ist auch die Schreibweise mit Schrägstrich: GC/MS, die laut IUPAC gleichwertig ist.)

Ordnen wir die Massenspektrometrievarianten noch weiter. Die ersten vier Massenspektrometrien haben chromatografische Verfahren gemeinsam. Dagegen haben ICR–MS und ICP-Massenspektrometrien die Analyse von Ionen gemeinsam.

Aus diesen Hierarchien folgt:

Ordnung ist wichtig! Hierarchische Beziehung in der Terminologie von massenspektrometrischen Verfahren

Diese hierarchische Ordnung verschafft Lesern einen besseren Überblick über die Techniken der Massenspektrometrie.

Abgesehen von diesem individuellen Vorteil, Wissen für sich oder andere zu ordnen, nutzen Terminologen hierarchische Begriffsbeziehungen, um zum Beispiel Produktkataloge zu erstellen.

Ordnen: Sequenziell

Hierarchische Beziehungen sind hilfreich, aber es gibt noch andere Möglichkeiten der Ordnung. Ein Beispiel für eine assoziative Begriffsbeziehung ist die sequenzielle Beziehung.

Zum Beispiel die sequenzielle Beziehung von Molekülen in biochemischen Kreisläufen. Betrachten wir etwa die Moleküle im Citronensäurezyklus: Aus Citrat macht die Zelle Isocitrat, das zu einer Substanz namens α-Ketoglutarat abgebaut wird, woraus Succinyl-CoA entsteht, aus dem die Zelle über Succinat, Fumarat, Malat und Oxaloacetat wieder Citrat aufbaut.

Alle diese biochemischen Moleküle stehen in einer sequenziellen Beziehung.

Zeitlich sequenzielle Beziehungen sind zum Beispiel die Arbeitsschritte in einem Workflow.

Wichtiger für Anwendungen sind jedoch hierarchische Begriffsbeziehungen.

Terminologie präzisiert

Terminologie ermöglicht Präzision, und Präzision ist wichtig, um Fehler zu vermeiden.

Woher kommt die Präzision? Jeder Terminus enthält Definitionen und weitere Informationen zum entsprechenden Fachbegriff.

Terminologie ist im Patentwesen wichtig. Die präzise Abgrenzung von Begriffen entscheidet mit über die Erteilung eines Patents und schafft Rechtssicherheit.

Auch für Industrienormen ist Terminologie wichtig. Jede Norm entspricht einem Fachbegriff.

Die chemische Nomenklatur: ein terminologisches System

Die chemische Nomenklatur, also eine systematische Namensgebung von chemischen Substanzen, entstand im 19. Jahrhundert. Hintergrund war die Erkenntnis, dass die bisher existierende Terminologie ein großes Durcheinander war, in dem sich selbst Fachleute kaum zurechtfanden. Häufig kursierten von einer Substanz mehrere Namen nebeneinander.

Damit war oft unklar, womit sich die Kollegen eigentlich befassten, und man stritt sich um Element- Molekül- und Stoffnamen. Ein generisches System musste her, eine einheitliche Nomenklatur.

Zur ersten internationalen Fachtagung der Chemie im Jahr 1865 in Karlsruhe reisten 127 Chemiker aus Europa und Übersee an und diskutierten grundsätzliche terminologische Fragen. Der Kongress ermöglichte einen intensiven Austausch und legte den Grundstein für die Entwicklung des moderenen Periodensystems.

International Union of Applied Chemistry (IUPAC) für die systematische Terminologie von chemischen Stoffen zuständig. Die IUPAC wurde 1919 gegründet, um Gewichte, Maße, Namen und Symbole zu vereinheitlichen und zu standardisieren, und regelt die chemische Nomenklatur.

Die klare, unmissverständliche IUPAC-Nomenklatur veranschaulicht den Nutzen von einheitlicher Terminologie für den wissenschaftlichen Fortschritt.

Terminologie verdichtet Wissen

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte, aber Sprache kann das ebenso. Ein einziger Ausdruck benennt einen Fachbegriff, der ein ganzes Bündel an Definitionen, Messdaten, Historie, Beschreibungen und Bildern einschließen kann.

Terminologie verdichtet somit dieses Wissen, das in den Begriffen steckt. Damit macht sie eine wirkungsvolle Fachkommunikation erst möglich.



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